Nach meinen Tagen in Mackay fahre ich zum Platypus (Schnabeltier) Bushcamp. Ein tolles Fleckchen Erde am Rande des Eungella Nationalparks, wo man Schnabeltiere beobachten oder einfach nur Baden und entspannen kann. Ich habe alles getan und hatte eine unheimlich tolle Zeit.
Max hat mich eine weitere Nacht freundlich bei sich aufgenommen. Im teuren Gecko Backpackerhostel habe ich aber einen Flyer vom Platypus Bushcamp gefunden. Neben den üblichen Schwärmereien steht dort, dass man anrufen kann, wenn man von Mackay abgeholt werden will. Das tue ich so gleich.
Ich erfahre, dass ich für 10$ am Tag Campen oder für 50$ am Tag in eine Hütte kann. Das abholen soll 30$ kosten. Ein Zelt habe ich nicht. Camping sieht also schlecht aus. Aber ich habe Max! Also frage ich meinen Gastgeber, ob er nicht ein Zelt überhabe. Und tatsächlich: Ich bekomme ein gutes kompaktes 1-Mann Zelt der Marke Kathmandu. Direkt nochmal beim Bushcamp angerufen. “Ich habe ein Zelt, bin in Mackay, will abgeholt werden.” “Okay, Morgen 11 Uhr an der Tankstelle.” Mein Gesprächspartner weist mich noch darauf hin, dass ich Kochzeug brauche, weil Camper die Küche nicht mit benutzen dürfen. Das habe ich zwar nicht aber ich sage “jaja, ich habe alles”. So buche ich meinen Weg in den Eungella Nationalpark, der mir in Townsville von Troy empfohlen worden ist.
Am nächsten Morgen ist Sally, Max’ Mitbewohnerin, die mich vor ein paar Tagen schon herumgeführt hat, so liebenswert, mich zu fahren. Zunächst gehen wir Einkaufen. Ich kaufe eine Packung Toastbrot, Nutellaverschnitt´und diverse Dosen Fertigessen. Baked Beans, Spaghetti, Hühnercurry und sowas. Dann bringt Sally mich zur Tankstelle und wir verabschieden einander.
Ich warte 20 Minuten, dann kommt jemand auf mich zu “willst du zum Bushcamp?” Jawohl das will ich. “Ich sollte éinen Bart haben, aber den habe ich abrasiert.” sagt er mir. Ich wusste gar nicht mehr, dass mein Fahrer einen Bart haben sollte. Seinen Namen habe ich vergessen aber er ist etwa 21 Jahre alt und erzählt mir, dass er im Buschcamp wwooft. Wwoofing heißt “Willing Workers On Organic Farms”. Man kann sich für eine geringe Jahresgebühr anmelden und dann bei vielen Farms und ähnlichen Einrichtungen für Kost und Logis arbeiten. Er sei Australier, reise aber mit einer Österreicherin und einem Schweden durch Australien. Die werde ich noch kennenlernen.
Wir fahren raus aus Mackay. Das Camp ist etwa 60km entfernt. Die Gegend wird immer leerer. Wir erreichen einen Waldrand und wenige Minuten später sind wir beim Bushcamp. Dort begrüßt uns ein großes hölzernes Schild. Mein Fahrer erzählt mir grob, in welcher Richtung was ist und verschwindet im Wald. Ich mache mich mit anderen Campern bekannt, die auf einer großen Picknickbank sitzen und lesen. Danach gehe ich Richtung Office. Ich will Wazza kennenlernen. Den Chef der ganzen Angelegenheit.
Wazza ist ein kauziger alter Mann. Ich schätze ihn auf 75 Jahre. Er trägt einen australientypischen Hut, hat einen Bart und den strengsten australischen Akzent, den ich bisher gehört habe. Er kann mein Zelt aufschlagen wo ich will und dann machen was ich will. Klingt gut. Außer Wazza sind da noch die drei Wwoofer und Joanna, die zwar nicht wwooft aber hier ein bisschen hilft. Ihr Vater sei Australier und ein alter Freund von Wazza. Sie selbst kommt aber aus Berlin.
Ich schlage mein Zelt auf. Oder das Zelt von Max das ich benutze. Es ist klein. Gerade groß genug für mich und meinen Rucksack. Ich werfe meine Sieben Sachen rein, dann gehe ich zum Swimming Pool. Es ist natürlich kein richtiger Swimming Pool. Es ist mehr ein Wasserloch. Ein Stück ruhiges Wasser im Fluss. Die Wwoofer und Wazza sind mittlerweile auch im Wasser.
Tatsächlich bin ich aber für die Schnabeltiere hergekommen. Die will ich also auch sehen! Schnabeltiere sind Nachaktiv. Die beste Chance sie zu sehen hat man daher bei Einbruch der Dunkelheit. An diesem meinem ersten Abend im Bushcamp sitze ich des Abends mit den anderen beiden Campern am Schnabeltierteich. Ein Ort wie der Swimming Pool allerdings ein Stück flussaufwärts und für Schnabeltiere. Wir sitzen zwei Stunden am Flussufer. Heute ist aber leider kein glücklicher Tag. Wir sehen zwar einen Azurfischer, was angeblich ein sehr seltener Vogel ist. Ein Schnabeltier traut sich aber heute nicht an die Wasseroberfläche.
Als es zu dunkel wird gehe ich zurück zum Camp. Es gibt kein elektrisches Licht. Öllampen stehen auf dem Tisch und erleuchten die Gruppe Stimmungsvoll. Wazza erzählt alte Geschichten über das Camp und die Leute die hier schon waren. Wir spielen Jenga. Die Wwoffer verbringen heute ihren letzten Abend hier.
Am nächsten Tag fahren wir – die Wwoofer, Joanna und ich – zum “Gorch” ein Ort, nicht weit entfernt, wo man zu zwei hübschen Wasserfällen wandern und dort schwimmen kann. Nicht nur normal Schwimmen kann man. Man kann auch wunderbar von Klippen springen. 2,5x Frontflip? Kein Thema!
Nach diesem kleinen Ausflug verabschieden sich die Wwoofer. Nun bin ich alleine mit Joanna und Wazza. Vier Nächte bleibe ich insgesamt im Bushcamp. In der Zeit kommen und gehen einige Leute. Viele bleiben nur für eine Nacht. Die meiste Zeit verbringe ich damit zu lesen. Ich lerne aber auch Backgammon von Joanna. Unterhalte mich sehr viel mit ihr und ich helfe ein wenig. Ich fühle mich an diesem Ort wohl. Es gibt kaum Technik. Es ist ein ruhiges Leben. Arbeit wird per Hand verrichtet. Ich mag gute Arbeit. Die macht hart und stark. Hauptsächlich besteht meine geringfügige Hilfe daraus Kram hin und her zu tragen. Einen Tag schippen Joanna und ich Sand von einer Stelle zur nächsten.
Ich erfahre viel über die Vergangenheit des Buschcamps. Joanna war vor zehn Jahren das letzte Mal hier. Da war noch alles anders. Viel schöner. Aber vor wenigen Jahren hat ein Zyklon hier alles zerstört. Seitdem muss Wazza hier alles neu aufbauen.
Schnabeltiere sehe ich noch. Abgesehen vom ersten Abend, an dem ich pech hatte, sehe ich jeden Abend Schnabeltiere. Sie sind sehr klein. Ich habe sie mir immer größer vorgestellt. Sie sind aber niedlich. Eine unwirkliche Mischung aus Ente und Bieber. Mehrfach versuche ich ein Foto von ihnen zu schießen aber sie tauchen entweder zu schnell ab oder es ist einfach unmöglich sie im fast Dunkeln zu fotografieren.
So sehr ich den Ort mag, so melancholisch macht er mich auch. Nicht nur, dass ich daran denken muss, dass es diesen Ort in wenigen Jahren nicht mehr geben wird, wenn Wazza nicht mehr dazu in der Lage ist ihn zu betreiben. Dieser Ort lässt mich auch über mein eigenes Leben nachdenken. Irgendwann muss ich zurück nach Deutschland. In meinen Beruf, wo ich von 8-16 Uhr arbeite. Eine Wohnung und ein Auto haben. Vieles davon ist super. Aber ist es das was man will? Oder viel mehr: ist es das was man braucht? Das Bushcamp hier ist so einfach. Selbst die Dusche ist besonders. Regenwasser fällt von oben auf einen hinab. Es gibt nur drei Wände, damit man einen Blick in den Wald hat.
Ich lese sehr viel, schwimme, arbeite und esse. Meinen Computer schalte ich kaum an, es gibt keinen Fernseher und auch sonst nichts was ablenkt. Das Gefühl erinnert mich an Nepal, an die Hütten in den Bergen. Wo es keine Technik brauchte und doch war man immer zufrieden. Wazza verdient bestimmt nicht übermäßig viel. Dafür kann er seit 25 Jahren hier das Leben genießen, wie er es sich vorstellt.
An meinem letzten Tag bietet Wazza mir an, mit ihm zu essen. Sonst habe ich nur mein Dosenessen gegessen, das ich nicht mal erwärmt habe. Außerdem erlässt mir Wazza die kosten für eine Nacht. Zurück nach Mackay nehmen mich zwei Frauen mit, die in einer der Hütten geschlafen haben. In Mackay verbringe ich noch eine Nacht mit Max und Sally, dann geht meine Reise weiter Richtung Brisbane.
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Könnt ihr euch ein Leben im Buschcamp vorstellen?
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