Obwohl ich fast die ganze Nacht am Flughafen in Indien kein Auge zugemacht habe, bleibe ich doch den ganzen Flug nach Nepal über wach. Zu spektakulär sind die riesigen Berge, die in diesem Land, dem Dach der Welt, neben uns ein Panorama wie aus dem Bilderbuch formen. Immer wieder muss ich daran denken, dass ich bald schon selbst in diesen höhen Unterwegs sein werde. Bald bin ich in Nepal. Für mich der Abenteuerspielplatz der Welt.
Der Flug ist schnell und problemlos. Mittlerweile habe ich mich gut an die viele Fliegerei gewöhnt und die Zeitverschiebung ist diesmal nur eine viertel Stunde. Der Flughafen ist recht klein. Die Flugzeuge stehen scheinbar ungeordnet auf großen Flächen. Kleine Cessnas und große Interkontinentalmaschinen. Die scheinen dort alles einfach abzustellen. Das Visum ist einfach zu kriegen. Man bezahlt 40 US-Dollar (auch in anderen wichtigen Währungen bezahlbar), füllt zwei Formulare aus, gibt zwei Fotos ab und schon ist man eingereist. 30 Tage Visum bekomme ich für die 40 Dollar. Vor dem Flughafen wartet schon jemand mit einem „Tobias“-Schild auf mich. Ich gehe zu ihm, er begrüßt mich freundlich und meint ich müsse noch auf den Wagen warten. 20 Minuten später bin ich auf dem Weg zu meinem Hotel, das ich vorher schon im Internet in Indien gebucht hatte. Hotel Potala erweist sich als guter Griff. Die Dusche ist heiß, das Zimmer sauber und die Leute freundlich. Immer wieder wird mir kostenloser Kaffee oder Tee angeboten. Bevor ich einchecke nehme ich allerdings ein Stündchen Mittagsschlaf. Alles kein Problem.
Nach dem Check-In im Hotel mache ich mich auf den Weg ein wenig die Umgebung zu erkunden. Es ist ein wenig wie in Indien allerdings nicht so hektisch. Die Läden sind größer und die Straße etwas ruhiger. Aber Touristen gibt es hier viele! Mehr noch als in Indien. Gut ich bin wieder genau im Haupttourismusviertel von Kathmandu, Thamel. Aber das hätte ich nicht erwartet. Das müssen unvorstellbar viele Leute in die Berge wollen. Die meisten Läden in Thamel sind Geschäfte, die gefälschte Outdoorkleidung verkaufen. Mammut, Northface, Salewa. Hier findet man eigentlich alles und wenn man verhandelt, was man sollte ist selten etwas teurer als 20 Euro, was bei uns vielleicht das Zehnfache kostet. Ich gehe durch verschiedene Geschäfte und erkundige mich nach Preisen. Mir ist klar, dass ich für die Berge noch ein paar warme Sachen brauche, daher will ich mir einen Überblick verschaffen, was etwa wie teuer ist.
In einem Geschäft fragt der Verkäufer irgendwas hinter meinem Rücken. Ich drehe mich um, um zu verneinen. Gleichzeitig dreht sich jemand hinter mir um, auch um nein zu sagen. Ziemlich gaye Geschichte, oder? Jedenfalls kommen wir ins Gespräch. Er heißt Jack, kommt aus Taiwan und lebt in Australien. Komischer Name für jemanden aus Taiwan. Später erfahre ich, dass er, als er nach Australien gezogen ist, sich einen neuen Namen aussuchen konnte und in Taiwan noch einen anderen hat. Noch komischer als einen komischen Namen zu haben ist, sich einen komischen Namen aussuchen zu können. Jack reist auch alleine und will auch zum Everest Base Camp. Er ist einen Tag vor mir angekommen, hat sich aber auch noch nicht recht orientiert. Ich erzähle ihm, dass ich den Flug nach Lukhla, von wo aus man zum EBC wandert im Reisebüro in meinem Hotel buchen will. Jedenfalls kommt eines zum anderen und ein paar Stunden später sitzen wir gemeinsam in dem Büro und wollen den Berg gemeinsam bezwingen.
Eigentlich will ich schnellstmöglich in die Berge. Mein Reiseführer sagt, dass die Tour 14 bis 18 Tage dauert. Hinterher will ich noch mehr in Nepal erleben, also schnellstmöglich hoch! Leider war, bevor ich in Nepal war, eine Woche lang so schlechtes Wetter, dass keine Flüge nach Lukhla gehen konnten und daher gibt es eine Warteschlange. Wir müssen ein paar Tage überbrücken. Die Zeit nutze ich teilweise zum Shoppen und auch um ein “TIMS” und ein “Trecking Permit” zu kriegen. Zwei Dokumente, die man teuer kaufen muss (20 und 30 US-Dollar). Das reicht aber noch nicht für die vielen Tage, die zu überbrücken sind. Mein Plan war, nach der EBC-Tour zum Rafting zu gehen. Daher erkundige ich mich, ob vorher, in der Wartezeit eine passende Tour zu kriegen wäre. Und tatsächlich gibt es eine. Eine zweitägige Tour auf dem Bhote Koshi mit Camping und Verpflegung für 75 US-Dollar. Jack wollte eigentlich die Tage bis zu unserem Abflug irgendwelche Bustouren durchs Land machen. Als ich ihm erzählt habe, wie gut der Bhote Koshi sein soll, hat er sich aber auch für das Rafting entschieden. “Morgen 06:30 geht es los” meinte der Touristenbüro Mensch. Perfekt.
Wir müssen morgens natürlich eine ganze Weile warten. Aber dann geht es endlich los. Wir werden von einem Bus abgeholt. Hinter uns im Bus sitzen ein paar Amerikaner, mit denen wir uns Unterhalten. Vor uns liegen 3 Stunden Busfahrt und da merke ich zum ersten mal, wie schön dieses Land doch ist. Die Fahrt führt an Bergrändern vorbei mit weitem Ausblick. Tiefe Schluchten, Hohe Berge, alles grün. Auch die Fahrt ist abenteuerlich. Der vollgeladenen Bus prescht die Serpentinen mit seiner Maximalgeschwindigkeit entlang. Vor Kurven wird kräftig gehupt, damit der Gegenverkehr gewarnt ist. Sicher fühle ich mich trotzdem. Wir erreichen einen Wundervollen Campingplatz zwischen zwei grünen Bergen, direkt am Fluss neben einer Stromschnelle. Alle helfen beim Ausladen und Boot aufpumpen. Die Crew bereitet derweil schon das erste Essen zu. Nach dem Essen, Bohnen, Brot, Yakkäse, Frischer Thunfischsalat und ein anderer Salat von dem ich nicht weiß wie er heißt, ziehen wir unsere Sachen an. Helm und Rettungsweste. Nach einer kurzen Sicherheitseinführung und Einweisung in die Kommandos geht es endlich los. Ich sitze mit Jack und vier Chinesen in einem Boot: Jack muss den Dolmetscher spielen.
Und was soll ich sagen. Die Tour ist unheimlich spaßig. Ich war ja schon ein paarmal auf dem Wasser, aber einen so rapiden und Wellenreichen Fluss hatte ich noch nicht. Und zu diesem großen Spaß, durch das Wasser gewirbelt zu werden kommt diese einzigartige Landschaft an unseren Seiten. Wir sind knapp drei Stunden auf dem Wasser. Ich bin mir nicht sicher aber ich schätze dass ich die ganze Zeit gegrinst und die halbe Zeit gelacht habe. Irgendwann ist leider Ende und wir fahren zurück ins Lager, wo die Zelte aufgebaut sind und Essen auf uns wartet. Wir essen und jeder tut was er will. Ich erkunde ein wenig die Umgebung, rede mit den Amerikanern und bringe ihnen jonglieren bei. Mit Einbruch der Dunkelheit zeigt sich ein weiterer wunderschöner Aspekt dieses Landes. Wir sind umgeben von tausenden Glühwürmchen. Wo man auch in die Ferne blickt sieht man es leuchten. Sie leuchten nicht dauerhaft. Immer nur kurz. Man versucht etwas zu fokussieren und es ist schon wieder weg. Ein toller Anblick. Später gibt es noch ein Lagerfeuer aber so ziemlich alle sind 22 Uhr schon im Bett. Man will ja fit für den nächsten Tag sein. Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus weiter Fluss aufwärts. Wir fahren von dort bis zum Camp und die gleiche Strecke wie am Vortag nochmal, ehe wir leider wieder zurück zum Hotel müssen. Abends treffen wir uns mit den Amerikanern auf ein Bierchen. Wir kriegen ihre Go-Pro Videos und sehen uns wahrscheinlich nie wieder.
Tja jetzt ist es 17:30 am 11.10.2012. Heute habe ich meinen Rucksack für die Tour zum EBC gepackt. Der Flug geht morgen früh um 9 Uhr nach Lukhla. Der höchste und gefährlichste Flughafen der Welt mit etwa einen Crash pro Jahr. Vor dort aus wandere ich 16 Tage bis zum Everest Base Camp, nach Gokyo und zurück nach Lukhla, um wieder her zu fliegen. In der Zeit wird es also wenig Internet und Neuigkeiten von mir geben. Ich nehme aber meine zwei Handys mit, um gelegentlich ein Lebenszeichen von mir zu geben. Wünscht mir Glück, dass ich keine Höhenkrankheit kriege!
P.S. Hier komme ich übrigens auch in die Router Einstellungen. Sogar ganz ohne Passwort. Aber diesmal lasse ich das Ding in Ruhe.
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