Airlie Beach habe ich abgehakt. Meine nächste Station ist Mackay. In der Nähe von Mackay ist der Eungella National Park. Den hat Troy, mein Couchsurfing-Host in Townsville, mir empfohlen, weil man dort eine so gute Chance habe, Schnabeltiere zu sehen. Doch auch die Anreise bringt schon wieder unerwartete Wendungen.
Ich verlasse Airlie Beach mit dem Bus, um wieder nach Proserpine zu kommen. Die Stadt, die am Bruce Highway liegt und die nach Mackay führt. Ich suche mir wieder eine gute Stelle zum trampen. Eine Stelle, bei der Leute mich schon aus der Ferne sehen können und eine Chance haben zu halten, ohne sich oder mich zu gefährden. Diesmal warte ich nur ein knappes halbes Stündchen, dann hält schon der erste Wagen an.
Mein Fahrer stellt sich als Max vor. Mein Rucksack kommt in den Kofferraum zu Mädchenspielzeug. Ich sitze auf dem Beifahrersitz. Vor uns liegen noch etwa 160km Highway. Max ist 40, geschieden mit zwei Töchtern. Seine Frau mag er nicht mehr besonders aber seine Kinder versucht er so oft wie möglich zu sehen. Er hat lockiges Haar, ist freundlich und lacht viel. Er erinnert mich an einen Arbeitskollegen. Ich erzähle ihm auch meine Geschichte. Wo ich war, wie lange ich schon reise, wo ich hin will. Das übliche, was man jeden Tag irgendwem erzählt, wenn man auf Reisen ist. Ich erzähle Max auch, dass ich noch keine Unterkunft für Mackay habe. Er bietet mir an, bei ihm unterzukommen. Chancen greifen, ja gesagt.
Er warnt mich schon vor. Er hat drei Mitbewohner, zwei weiblich, einer männlich und heute Abend werden seine verrückten Freunde da sein. Alles kein Problem, verrückt bin ich auch. Mehr oder weniger. Wir kommen bei seinem Haus an. Es ist ein kleines Haus mit großer Garage unter dem Wohnbereich. Ich lerne seine Mitbewohner kennen. Sally, 30 Jahre mit Aborigine-Herkunft, Amie, 25, die zurzeit eine Gerichtliche Auseinandersetzung mit ihrem Exfreund hat und Ben, 24, der alle zwei Wochen 6 Tage einen dieser übertrieben riesigen Trucks in den Minen fährt und dafür unverschämt viel Geld kriegt.
Mir wird mein Zimmer zugewiesen. Es ist das leer stehende Zimmer der Töchter von Max, das mehr einer großen Abstellkammer gleicht. An der Tür hängt aber ein Zettel, den die Mädchen geschrieben haben. Er warnt: Niemand soll auf unsere Betten! Zum Glück wissen die nichts von mir. Noch müde von meiner gestrigen Party erlaube ich mir ein Mittagsschläfchen.
Als ich wieder wach werde höre ich draußen schon das Lachen und das Quatschen. Die verrückten Freunde müssen da sein. Ich gehe mich vorstellen. Da sind natürlich Max und Ben. Daneben ist Luke, ein – wie ich fast vermute – wirklich Verrückter, der in seinen Erzählungen umherspringt und lacht, wie …verrückt. Dann ist da noch Blue, ein alter Mann mit obligatorischem australischem Hut. Die vier sitzen auf Dingen aus der Garage, auf denen es sich irgendwie sitzen lässt und trinken ein Bier nach dem nächsten. Nicht viele Momente später sitze ich auf dem nächsten Gegenstand mit einem Bier in der Hand.
Wir unterhalten uns über dies und jenes. Nach jedem Bier wird mir ein neues gereicht. So vertreiben sich die Leute in Australien also den Abend. Im Vorgarten sitzen, trinken und reden. Gar keine so schlechte Beschäftigung. Als alle Männer betrunken sind kommt noch eine Runde Gras. Die ich dankend ablehne.
Abends kocht Sally ein köstliches Essen und bietet mir an, mich morgen ein wenig herum zu führen. Da sage ich nicht nein. Also geht es am nächsten Tag nach Seaforth. Sally erzählt mir, dass sie fast jedes Wochenende hier sei. Zum Angeln, zum entspannen. Unser erster Stopp in Seaforth ist eine Insel, die bei Ebbe keine Insel mehr ist. Wenn das Wasser tief genug steht, erscheint fast magisch ein wie dafür gedachter Weg zu der Insel. Wir spazieren ein wenig auf der Insel und erzählen. Dann geht es zum nächsten Strand.
Nach dem Strand wollen wir einen Wanderweg begehen. Sie ist sich nicht sicher mit der Sache. Es sei gerade Brutzeit für Schlangen. “Ah ksch” denke ich. Wie fast immer, in solchen Situationen. Und so gehen wir zum Wanderweg. Es ist wieder ein Weg, wie ich ihn aus dem Malaysischen Regenwald kenne. Ein Steg soll uns wohl vor Tieren und vor dem Verlaufen schützen. Trotzdem schaffen wir nur 200 Meter des Weges. Vor uns ist eine kleine, vielleicht 50-60cm lange Schlange auf dem Steg. Sally rastet total aus. “Ah Vorsicht! Komm zurück! Wir gehen zurück zum Auto!” Dabei flüchtet die arme Schlange schon und versucht sich zu verstecken. Sally erzählt mir, dass das eine Braunschlange gewesen sei. Nach einem Biss hätte man nur noch etwa eine Minute zu leben.
Ich versuche mich ja auf das zu verlassen, was ich bisher über Tiere gelernt habe. Eine kleine Schlange hat ja keinen Grund mich zu beißen. Fressen kann sie mich eh nicht. Solange man die Tiere nicht provoziert sollte also nichts passieren. Denke ich. Daher habe ich keine Angst vor den Tieren hier. Vielleicht habe ich auch keine Angst, weil ich die Gefahr einfach nicht einschätzen kann. Aber Respekt finde ich sowieso vernünftiger als Angst. Wer Angst hat, der wird panisch und irrational.
Den Weg verlassen wir jedenfalls und fahren zurück. Leider ist die Tour damit schon zu ende. Sally bringt mich noch zum Backpacker Hostel in Mackay, wo ich die Nacht verbringen und einen Weg zum Eungella Nationalpark finden will.
Im Hostel wird mir erzählt, dass ich nur eine Nacht bleiben könne. Danach sei es voll. Also quartiere ich mich erst mal für eine Nacht ein. Morgen kann ich ja weiter schauen.
Der folgende Tag besteht aus Stadterkundung, die nicht sehr ergiebig ist. Mackay ist sehr langweilig. Außerdem versuche ich einen Weg in den Eungella Nationalpark zu finden. An der Stelle muss ich die Erzählung ein wenig abkürzen, weil es mir im Nachhinein selbst zu kompliziert zum rekonstruieren ist. Da war eine von Gumtree, die vielleicht mit mir da hinfahren wollte, dann wollte Sally mit mir da hin und dann auf einmal keiner. Aber ich habe eine Anzeige im Hostel gefunden. Einen Flyer vom Platypus (Schnabeltier) Buschcamp. Und der Flyer sagt: Wenn du kein Auto hast, dann ruf an und wir kümmern uns um den Transport.
So ergibt es sich, dass ich noch eine weitere Nacht bei Sally und Max verbringe, um mich am nächsten Tag ins Buschcamp abholen zu lassen. Der Abend bei Max zuhause wird wieder spannend. Sally will mir ein Bild malen. Und es ist ein tolles Bild! Ich male ihr als Gegenleistung auch ein Bild. Aber das ist wohl nicht ganz so schön wie ihres. Nur wie ich das Bild heile nach Deutschland kriegen soll weiß ich noch nicht. Am besten ich schicke es per Post. Mal sehen.
Morgen wird es nach Eungella gehen. Hoffentlich sehe ich ein Schnabeltier!
Na wer ist neidisch auf mein echtes Aborigine-Bild?